Ich konnte gar nicht anders als diesen Politkrimi, der jetzt leider auch Deutschland ergreift, mitzuverfolgen. Wäre es ein Buch, ich hätte es niemals aus dem Regal gezogen, aber ich kann mich dem, was in meinem Land und um mich herum passiert nicht völlig entziehen. Und so muss ich jetzt wieder einmal meinen Blog bemühen und hier Gedankensortierung betreiben.
Ja, es ist Wahlkampf und in einem solchen ist es allen Parteien erlaubt, und sogar gewünscht, dass sie ihre Forderungen und Positionen klar und deutlich formulieren. Da herrscht maximale Uneinigkeit, da die Ansichten, wie man diesen Staat bestmöglich regieren sollte, sehr unterschiedlich sind. Aber es geht noch nicht ums Regieren, sondern nur darum, erstens einmal den WÄHLER davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen! Und zweitens darum, das Kreuz bei der Partei zu setzen, von der er glaubt, dass diese seine Belange hinterher in der Regierung bestmöglich vertritt. Dabei ist es auch ganz entscheidend, wie weit der Wähler den entsprechenden Politikern, die diese Positionen vertreten, vertrauen kann. Denn immerhin geht es ja nicht nur um das Jetzt, sondern um einen Zeitraum von 4 Jahren, woraus sich ein nicht unerheblicher Vertrauensvorschuss ableiten läßt.
Hat der Wähler sein Votum gegeben, sind diese Maximalforderungen nur noch in den Parteiprogrammen niedergeschrieben. Jetzt geht es darum, Koalitionen zu finden. Jetzt beginnt das Ringen um bestmögliche Kompromisse. Für 4 Jahre sollen sich die zusammentun, die eine Mehrheit der überaus vielfältigen Bürgermeinungen repräsentieren und diese Gruppe von Parteipolitikern ist nun gefordert, das gemeinsam zu verhandeln und Kompromisse zu erarbeiten.
In dieser Phase müssen sich die Politiker der möglichen Koalitionsparteien zusammenraufen und die Positionen ihrer Parteiprogramme „unter einen Hut“ bringen. Dazu gibt es verschiedene Herangehensweise. Alle Herangehensweisen erfordern aber Vertrauen in meinen Verhandlungspartner. Dieses Vertrauen muss so weit reichen, dass die ausgehandelten Kompromisse umgesetzt werden und nicht zwischenzeitlich Lösungen in Alleingängen gesucht werden.
Politik in einer Koalition zu machen erfordert, der übergeordneten Sache zu dienen, nicht dem Politikerego!
Kanzlerkandidat Merz ist leider in Sachen Migration gerade in sein typisches (männliches) Führungsverhalten zurückgekehrt und hat etwas zur CHEFSACHE erklärt, über die er nicht mehr verhandeln will. Sein Credo ist: der Chef sagt wie es gemacht wird PUNKT Sein Problem: Er WAR lange der Chef, der Macher, in seiner Zeit bei Blackrock in der freien Wirtschaft. Jetzt ist er aber in einer völlig anderen Position. Er hat noch nicht mal einen Vertrag als Chef (= Kanzler). Plötzlich braucht es nicht mehr Machtworte, sondern Einfühlungsvermögen. Einfühlungsvermögen, sich das Vertrauen mit anderen (= Koalitionspartnern) Kompromisse zu finden, zu erarbeiten. Dafür braucht es Fingerspitzengefühl. Wenn Friedrich Merz glaubt, er müsse die Trump Attituden übernehmen, wird er in Deutschland hoffentlich (zumindest noch!) scheitern. Er hat seine eigene Vertrauenswürdigkeit dadurch verspielt, dass er sich nicht an seine eigenen Worte gehalten hat. (Trump interessiert sein Gerede vom Vortag auch nicht mehr). Dabei geht es gar nicht um den INAHLT, es geht nur um Glaubwürdigkeit und VERTRAUEN. Hier liegen genau die Stärken eines Robert Habeck: Ihm geht es darum, den Wählern zu erklären, sie mitzunehmen und Vertrauen aufzubauen, auch wenn er in der Sache Fehler macht.
In Dänemark z.B. haben sich die Parteien geeinigt, dass sie nicht überall Kompromisse in der SACHE suchen. Hier wird ausgehandelt, welche Positionen welcher Partei umgesetzt werden in der Regierung. M.E. ein interessanter Ansatz einen neuen Weg zu gehen in den Koalitionsverhandlungen.
Friedrich Merz hat nicht verstanden, dass Politik in einer Demokratie nicht Chefsache, sondern letztendlich Teamwork ist. Mehr wie in einer Genossenschaft, wo alle sich bekennen, im selben Boot zu sitzen. Seine Attitüde Machtmensch zu sein steht ihm dabei ganz gewaltig im Weg. Er scheint nicht zu begreifen, dass Diplomatie keine Schwäche ist, sondern Verhandlungsgeschick bei dem alle das Gesicht wahren.
Leider wird uns dass Ausmaß dieses Vertrauensverlustes erst nach der Wahl richtig klar werden, wenn es in Koalitionsverhandlungen darum geht, im Miteinander zu beweisen, dass uns unsere demokratischen Freiheiten wirklich etwas bedeuten. Friedrich Merz hat als Mensch bewiesen, wie leichtfertig er Vertrauen verspielt: weil er zockt, all in geht und glaubt, damit seine Stärke zu beweisen.
Mein persönlicher Tip für ihn: Von den Gegnern (= Angela) kann man lernen, die eigenen Schwächen zu erkennen…
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