2 unterschiedliche Ansichen von 2 Mädels über 60 –
Wo lebt es sich eigentlich besser, wenn man alt wird? Hier lest ihr die divergierenden Ansichten dazu von Tania aus Berlin und Birgit aus Hanstedt.
TANIA: ich wurde 1958 in Paris geboren. 1962 sind meine Mutter, mein Bruder und ich nach München gezogen, ins verruchte und wilde Schwabing. 1988 von München nach Freiburg im Breisgau, 1991 nach Berlin. Erst nach Zehlendorf, in Nikolassee, dann 2017 nach Schöneberg.



Mit 17 Jahren wußte ich, dass ich mein berufliches Leben der Fotografie widmen werde – Fotografie war da schon mein Leben. Ganz schnell habe ich gemerkt, dass Architekturfotografie mein Arbeitsschwerpunkt sein wird – Industrie, Maschinen, Metall, Glas – die urbane Architektur zog mich schon immer an. Jahrelang habe ich für die Presse gearbeitet, natürlich waren da auch Portraits und Eventaufträge dabei. Aber privat, als Künstlerin, war ich der Architektur zugewandt. Mit 22 Ausstellungen (davon 21 Einzelausstellungen und eine Gruppenausstellung) war ich doch eine Weile sehr erfolgreich – ich habe gut verkauft und ich konnte „mich ausleben“ – Die allermeisten Themen tanzten um „Die Stadt“, wo auch immer ich war.
Ich mag das urbane Gewusel, die Hektik, die Lebendigkeit. Berlin ist ganz meine Stadt – da ist alles, was ich liebe: viele Menschen aus allen Nationen, die Schnelligkeit, der Berliner Humor, die vielen Möglichkeiten seine Zeit zu verbringen.
Ich tanze leidenschaftlich gerne. Ich könnte, wenn ich wollte, jeden Tag woanders Tanzen gehen, jeden Tanz erlernen. Kinos, Museen, Ausstellungen, Konzerte – alles da. Jeder Musik- Kunstgeschmack ist vertreten, für jeden Geldbeutel ist etwas geboten. Opern, Theater, Philharmonie, Trash, Death Metal… alles hat hier seinen Platz. Wenn man alleine lebt, hat man viele Möglichkeiten etwas zu unternehmen. Wunderschön ist es z.B. an der Spree im Regierungsviertel (die Zentrale der Macht) auf dem Rasen zu liegen und entweder den Paaren beim Tango Argentino zuzusehen, beim Salsa mitzuwippen oder ganz einfach etwas an einer Bar zu trinken – oder in den Tiergarten zu gehen und die riesigenen Rhododendrenbüsche anzuschauen. Eis und jedwede kulinarische Köstlichkeit gibt es an jeder Ecke.
Ich liebe es mit dem Rad einfach ziellos durch die Kieze zu radeln, ich entdecke immer neue Läden, Märkte oder interessante Gebäude. Hier in Berlin kann jeder so sein wie man will. Keiner interessiert sich dafür, ob man mit 80 rote oder grüne Haare hat. Natürlich gibt es viele Schattenseiten. Die Gewalt. Die Kriminalität. Die Übergriffe. Ich gehe keinesfalls blind oder naiv durch die Welt. Berlin ist eine nicht-zu-erziehende Stadt – es haben schon manche Politiker versucht – aber ohne Erfolg. Berlin ist auch keine typische Deutsche Stadt – Berlin ist einfach nur Berlin. Mit allem drum und dran. Man kann darin auf- oder untergehen. Ich bin der Meinung, entweder man liebt diese Stadt oder man hasst sie.
Berlin ist kompliziert und wild, aber eben auch liebenswert
Ich bin sicherlich ein sehr aktiver Mensch. Nur zu Hause herumsitzen ist nicht mein Ding – ich war schon immer viel unterwegs, was auch meinen 45 Jahren hauptberuflicher Fotografentätigkeit geschuldet ist. Schon als Kind wurde ich als sehr wild und als Revoluzzerin bezeichnet. Ja, ich war in den 70er in München auf sehr vielen Demos, auch heute noch gehe ich vereinzelt hin. Immer mit der Hoffnung, dass ich diese Welt ein wenig besser machen kann.
Handarbeiten oder ähnliche häusliche Tätigkeiten waren und sind überhaupt nicht mein Ding – Wenn ich die Natur aufsuchen möchte, und das wird immer häufiger, gehe ich wandern. Alleine schon in Berlin gibt es sehr viele Möglichkeiten, Grunewald, Spandauer Forst um nur 2 tolle Orte zu nennen…



Ich glaube, wenn ich in einem Dorf oder richtig auf dem Land leben würde, würde ich doch sehr vereinsamen. Tätigkeiten wie Gartenarbeit sind auch nicht in meinem Interessengebiet. Aber stundenlang mit der Kamera durch die Straßen ziehen – ja das ist gut. Wenn ich Urlaub mache, dann genieße ich es in der Natur zu sein – am liebsten am Meer, das Meeresrauschen ist mein absolutes Highlight, auch der Wind der um einen weht – oder Landschaften, Bäume sehen und ganz besonders Vögel hören oder wenn man Glück hat, auch ein paar Tiere wie z.B. Rehe zu sehen begeistert mich.
BIRGIT: Geboren 1959 mitten in Hamburg bin ich seit 1969 in einer Kleinstadt vor den Toren Hamburgs aufgewachsen. In meinem Leben habe ich die ganze Bandbreite von absolut ländlich bis hin zu mitten in der Großstadt zu leben alles schon ausprobiert: Hamburg-Eimsbüttel, Kiel, Norderschubyfeld, Quedlinburg, Wiesbaden uam



Beruflich bedingt war ich viele Jahre hauptsächlich in Deutschen Universitätsstädten unterwegs. Und ich muss sagen, ich habe es genossen. Allerdings gebe ich zu: auch wenn ich dabei unter vielen Menschen war, war ich allein. Nicht falsch verstehen: allein, nicht einsam! Mittlerweile kann ich Menschen in immer geringeren Dosen um mich herum aushalten. Die Hektik und Rücksichtslosigkeit in Großstädten kann ich nur noch schwer ertragen. Und die großen Mengen von Touristen, die sich mittlerweile durch alle Innenstädte drängen sind mir ein Graus. Hochhäuser fand ich schon immer einfach nur scheußlich! Einzige Ausnahme: Als Skyline bei Nacht zum Fotografieren.
Je älter ich werde, desto mehr schätze ich Übersichtlichkeit, wenige aber zugewandte Menschen und die Natur.
All das habe ich hier in meinem 5000 Seelen zählenden Städtchen Hanstedt gefunden. Wenn ich rausgehe, grüßen die Menschen die ich treffe, man hält mit anderen Hundebesitzern oft ein kleines Schwätzchen und ich nehme tatsächlich an immer mehr Aktivitäten hier im Ort teil, sei es das Oktoberfest vom Schützenverein (ja wirklich, auch hier in Norddeutschland mit Blasmusik und Brezn), der kleine Weihnachtsmarkt oder der Shantychor aus der Nachbarstadt, der in der Kirche auftritt. Ich gebe offen zu, dass ich früher gerade dieses dörfliche Miteinander belacht habe und weder brauchte noch Zeit dafür hatte. Aber das hat sich einfach verändert. Mittlerweile sind es Nachbarn oder Menschen aus dem Ort mit denen ich regelmäßigen lockere Kontakte pflege. Ein riesiges Angebot an Geschäften, Kultur- oder Sportangeboten brauche ich einfach nicht.
Ich genieße es mit Greta meinem Hund bei jedem Wetter durch die Auwiesen oder den Wald zu spazieren und dabei die Rehe zu sehen oder dem Käuzchen hallo zu sagen, welches aus dem Nistkasten schaut. Ebenso in meinem Outdoorwohnzimmer (meinem Balkon) zu sitzen, dem Vogelgezwitscher zu lauschen und ins Grüne zu schauen oder bei einem Glas Wein und einem guten Buch den Tag ausklingen zu lassen. Ich kann mit dem Fahrrad hier im Ort sowohl einkaufen als auch zum Bogenschießen auf der grünen Wiese des Schützenvereins radeln. Trotzdem gebe ich zu, dass ich ein Auto brauche. Sonst wäre es mir zu umständlich, mich in der näheren oder weiteren Umgebung zu bewegen. Ich möchte meine Freunde, die oft hunderte Kilometer entfernt wohnen besuchen, wie ich gerade Lust habe. Auch volle Züge oder U-Bahnen, wo Menschen dicht gedrängt sind, hasse ich.



In meinen Urlauben suche ich eher die Einsamkeit, das Meer und die Natur. Theater, Kunst und Kultur hole ich mir, wenn mir tatsächlich mal danach ist dann in Hamburg, aber das kommt selten vor. Obwohl ich sehr viel allein bin, empfinde ich das eher als angenehme Freiheit, denn als Verlust oder Einsamkeit. Auch die Stille eines kleinen Ortes im Grünen empfinde ich als wohltuend, ebenso wie den Duft der üppigen Heckenrosen im Frühjahr oder den würzigen Geruch des trocknenden Grases auf den Wiesen im Sommer. Ich schätze sehr, dass es hier ruhig zugeht, meiner eigenen geringer werdenden Lebensgeschwindigkeit kommt das sehr entgegen und ich möchte nie mehr gegen eine Großstadt tauschen. Zumal ich glaube, dass ich mich dort mittlerweile einsam fühlen würde, zwischen all den fremden Menschen, zu denen keinerlei Kontakt besteht.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr, liebe Mitleser, uns hier Eure Ansicht zu diesem Thema wissen lasst oder mit uns diskutiert, wie es für euch sich am besten anfühlt. Vielen Dank
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